Steirisches Zirbenland. Die Schönheit der Abgeschiedenheit.

In der steirischen Zirbenregion: Sanfte Berge, Authentizität und der Luxus keinen Empfang zu haben.

Es gibt Bilder von schönen Plätzen auf Instagram, die hat man so oft gesehen, dass man schon gar nicht mehr hinwill. Ein digitaler Herdentrieb überflutet Hotspots der Natur und so tummeln sich zum Beispiel mehr Fotografen vor dem kleinen Bootshäuschen am Pragser Wildsee, als Enten. Nicht wenige Naturliebhaber hüten sich daher, ihre Lieblingsplätze mit der Crowd zu teilen.

Zumindest nicht mit Geotag. Exklusives Erlebnis schlägt die potentielle Anzahl an Likes. Ein Lichtblick. Und so führt uns unsere Reise diesmal auch in eine Gegend, wo man vergeblich nach vielen Instagram Fotos sucht. Eine Region für Pioniere auf der Suche nach dem Ursprünglichen, auch wenn das seinen Preis hat.

Unsere Reise führt uns in das steirische Zirbenland. Jeder der nun weiß, wo das liegt, ist vermutlich dort geboren. Der Rest kann auf Google Maps nach den Seetaler Alpen suchen. Die Obersteiermark West, sagt die Kommunal-Politik. Das Murtal, sagt der bemühte Tourismus-Verband. Red Bull Land, sagen die Motorsport Fans, liegt im Talboden bei Spielberg ja die private Rennstrecke des Getränkeunternehmers. Gleich daneben der Militär-Flughafen Hinterstoiser, den Red Bull mit seiner Airpower Flugshow international bekannt gemacht hat.

Trotz dieser Großveranstaltungen, bleibt die Region touristisches Entwicklungsgebiet mit Potential. Großartig! Denn: Diese lokal gefühlte Schwäche ist vielleicht wertvoller Grundstein für die Zukunft der Region. Sanfter Tourismus heißt das Zauberwort im Fachjargon, auf das sich viele schwierige Regionen stützen. Wir wollen es spüren und machen uns von Salzburg aus auf den Weg, um einige entschleunigende Tage auf einer kleinen Hütte im Nirgendwo zu verbringen.

Kurz bevor die Autobahn in Judenburg endet, fahren wir ab, um in Zeltweg in einem ehemaligen Wasserturm einen Kaffee mit Aussicht zu genießen. Dass diese Bar & Café nicht in diese Region passt und dennoch hier ist, ist Didi Mateschitz zu verdanken. Der Red Bull Milliardär investiert seit Jahren aus privater Kasse in die Region und kauft historische Immobilien auf, um aus ihnen dringend notwendige Hotel- und Gastronomie Infrastruktur zu machen. Oftmals mit punktueller Spitzenauslastung –  doch wenn die Formel 1, Air Power oder DTM kommt, dann spült es an einem Wochenende bis zu 100.000 Menschen in den Talboden.

In Obdach beginnt schließlich dann die Bergstraße und wir machen im kleinen Ort halt, um Vorräte zu kaufen. Dass der Supermarkt einen kleinen Laden mit heimischem Fleisch, Käse und Brotschmankerln inkludiert, ist typisch für die Region. Man bemüht sich, Ursprüngliches zu bewahren, auch wenn es oft etwas unprofessionell wirkt. Doch hier finanziert kein Multimillionen-Skitourismus die Entwicklung, sondern man legt selbst Hand an und versucht das Beste aus dem zu machen, was man hat und kann. Das ist erfrischend entspannend. Hier diktiert nicht der Konsum, die Menschen sind nicht überschwänglich aber freundlich und hilfsbereit.

Es geht weiter und wir haben mit dem Volvo XC90 diesmal wirklich den richtigen Begleiter. Voll gepackt geht es den Berg hinauf. Es hat etwas geschneit und die private Bergstraße ist weder geräumt, noch gesalzen. Was für eine Freude. Auf 1.600 Meter kommen wir an der Zirbenwaldhüttean. Eine einfache Selbstversorgerhütte des Alpenvereins mit 20 Schlafplätzen, Holzofen und Feuerstelle vorm Haus. Strom und Dusche sind 2016 aber auch hier Standard. Nur der Internetempfang ist im Tal geblieben, was sich nach dem ersten „What the Fuck“ Moment als Segen entpuppen wird.

 

Natürlich, wir kommen alle mal ohne Facebook, Instagram und Whatsapp aus, aber wer tut das schon? Die Finger vom Smartphone zu lassen ist eine Übung, die nur wenige schaffen, und wie durchdringend die Technologie unseren Alltag verändert hat, merkt man auf so einer Hütte intensiv. Am ersten Tag ist der reflexartige Griff zum Smartphone noch da. 24 Stunden später liegen die Dinger – wegen Unbrauchbarkeit – irgendwo in der Hütte herum.

Ohne Social Media und Netflix beginnt sich der Tag zu dehnen und wir gestalten eigene Episoden und Abenteuer, wie das Ausgraben und Verbessern einer wenig gepflegten Feuerstelle. Feuer, Dreck und bauen – Männerspielzeug. Der Rest liest Bücher, philosophiert über die Welt oder plant und bereitet die Mahlzeiten. Selbst der Kaffee bekommt ein Downgrade. Filter statt Kapsel. Ein Sinnbild für gute Langsamkeit. Nein, früher war nicht alles besser. Aber vieles, was heute als besser gilt, ist es nicht.

 

Die Berge rund um die Hütte sind sanft. Es gibt wenige steile Flanken, der höchste Gipfel ist der Zirbitzkogel mit 2.380 Metern, unter dessen Spitze ein Schutzhaus steht. In einem guten Winter strömen hier die Einheimischen in Scharen hinauf, doch es ist noch zu wenig Schnee für Skitouren, erzählt uns die Kellnerin der Sabathyhütte etwas wehmütig. Schlecht für das Geschäft. Auch das kleine Skigebiet Rieseralm ist geschlossen. Schon mit Schnee ist der Betrieb nicht einfach.

Wir haben uns angepasst und sind mit Bergschuhen zum Winterwandern gekommen. Eine Alternative, die mit dem Klimawandel in den nächsten Jahren zum Alltag der ersten Wintermonate werden könnte. Auf den abgewehten Flanken brauchen wir nicht mal die Schneeschuhe. Es ist kalt, windig und still und wird sind beinahe die einzigen Menschen am Berg. Was für eine Exklusivität, fern von lärmenden Schirmbars mit schlechter Musik für Betrunkene. Das krönende Finale liefert uns eine Farbexplosion in Form einer winterlichen Dämmerung über den Seckauer Alpen.

 

Noch bevor wir zu unserer Hütte kommen, entdecken wir am Weg die Almrauschhütte. Eigentlich hat diese geschlossen, doch die Musik treibt uns in eine private Geburtstagsfeier der Pächter hinein – und damit in eine intensive Erfahrung. Rippchen vom heimischen Ochsen, Wein aus der Thermenregion der Südsteiermark und der einzigartige Zirbenschnaps aus privater Brennerei, den uns der Inhaber der Hütte und des kleinen Skigebietes, Günther, auftischt. Es ist ein besonderer Abend, denn es ist Hüttengaudi abseits von erzwungener Inszenierung für gelangweilte Touristen. Authentisch steirisch – das ist manchmal etwas rustikal, aber immer freundlich und lustig.

Am letzten Morgen schaffen es dann nicht alle so früh auf, um einen unfassbaren Sonnenaufgang zu erleben, doch wir fühlen uns allesamt beschenkt mit wertvollen Erinnerungen, die bleiben werden. Diese Region bietet keine von einer Tourismus-industrie produzierten Highlights. Sie ist unaufgeregt und echt und damit ein Geheimtipp für alle, die Entspannung suchen und nicht daran verzweifeln, auch mal mit sich und den eigenen Gedanken alleine zu sein. Wir kommen wieder.

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Social Media nervt alle. Email fetzt.